
Bauernopfer - Spiel der Könige
Pawn Sacrifice
US, 2014, 115 min, DF, R: Edward Zwick, D: Tobey Maguire, Liev Schreiber, Peter Sarsgaard
1972 steht in Reykjavik das "Match des Jahrhunderts" an, der russische Großmeister Boris Spassky und der ebenso geniale wie unberechenbare US-Champion Bobby Fischer sitzen sich am Schachbrett gegenüber und kämpfen um die Weltmeisterschaft. Die Welt fiebert mit, es geht um mehr als nur das "Spiel der Könige". Der Kalte Krieg tobt, die Männer repräsentieren verschiedene Wertewelten und politische Systeme. Fischer verliert die erste Partie, tritt zur zweiten nicht an. Alles scheint verloren, doch dann kommt es zum legendären sechsten Aufeinandertreffen.
Bobby Fischer Superstar - Edward Zwick setzt dem ebenso schillernden wie exzentrischen, 2008 verstorbenen US-Weltmeister ein filmisches Denkmal.
Die Medien schlachteten sie als "Match des Jahrhunderts" aus, die 1972 in Reykjavik ausgetragene Schachweltmeisterschaft zwischen dem US-Amerikaner Robert James "Bobby" Fischer und dem Russen Boris Spassky - ein Vergleich mit dem historischen, als "Rumble in the Jungle" bekannt gewordenem Boxkampf zwischen George Foreman und Muhammad Ali in Kinshasa 1974 drängt sich auf. Liz Garbus hat 2011 mit "Bobby Fischer Against the World" das Jahrhundertereignis dokumentiert, nun liegt mit "Pawn Sacrifice" der Spielfilm zum Thema vor - spät wenn man bedenkt, welche Hysterie das Aufeinandertreffen der beiden Ausnahmekönner einst auslöste.
Das liegt wohl primär daran, dass das Verschieben von 32 Figuren auf einem Brett mit 64 Feldern für Zuschauer nicht gerade eine aufregende Angelegenheit ist. Aber spätestens seit man dank Michael Manns "Insider" weiß, wie nervenaufreibend ein simpler Faxdialog sein kann, ist klar, dass sich jedes Thema kinogerecht aufarbeiten lässt. So auch das "Spiel der Könige" für das Ed Zwick mit Hilfe seiner schillernden Antagonisten - nach dem akkuraten Skript von Steven Knight- die richtigen Bilder findet und zudem den Ton der Zeit exakt trifft.
Ehe es zum eigentlichen Wettkampf in Islands Hauptstadt kommt, vergeht eine gute Stunde. Nach kurzem Epilog, einer schwarzweißen TV-Nachrichten-Collage zum Aufeinandertreffen der beiden Schachgenies, springt das Drama zurück ins Brooklyn des Jahres 1952. In einem liberalen Emigrantenhaushalt wächst Bobby auf, die Mutter ist überzeugte Kommunistin. In ihrer Wohnung treffen sich Bohemiens und Intellektuelle, beobachtet vom FBI. Die Atmosphäre ist angespannt und politisch aufgeheizt. Vielleicht fußt hier die lebenslange Paranoia Fischers, der sich ständig bespitzelt und - obwohl selbst Jude - als Opfer der "jüdischen Weltverschwörung" fühlt.
Es folgen Kalter Krieg und Vietnam, Studentenunruhen und Watergate... mittendrin Fischer, der sich für nichts außer Schach interessiert. Als 15Jähriger wird er der jüngste Großmeister der Geschichte, mit 20 gewinnt er die US-Meisterschaften, ohne Remis, ohne eine Partie zu verlieren - das ist bis heute niemandem mehr gelungen. Eine herbe Niederlage fügt ihm Spassky 1966 beim Piatigorsky Cup in Santa Monica zu - Fischer ist so erbost, dass er als Zweiter der Siegerehrung einfach fern bleibt.
Wie nebenbei erzählt dieses etwas andere Biopic von einer Gesellschaft im Umbruch, von unterschiedlichen Wertewelten und konträren politischen Systemen, die mit Wucht aufeinaderprallen, von zwei "missbrauchten" Galionsfiguren, die in gewisser Weise das "Bauernopfer" des Titels sind. Brillant gibt Tobey Maguire den Exzentriker Fischer, Jefferson Airplanes Psychedelic-Hit "White Rabbit" illustriert seinen Geisteszustand. "Manchurian Kandidat" Liev Schreiber ruht als sonnenbebrillter Spassky (fast immer) in sich, spricht den gesamten Film nur russisch und ist letztendlich der einzige, der die Genialität seines Widersachers erkennt und diesen sogar zu schätzen weiß.
Bestechend fällt Isabelle Guays Retro-Produktionsdesign aus, stimmungsvoll Bradley Youngs Kameraarbeit. Michael Stuhlbarg überzeugt als mit allen Wassern gewaschener Patriot und (Rolling Stones-)Rechtsanwalt, der Fischer zum Symbol amerikanischer Größe aufbauen will, Peter Sarsgaard als katholischer Priester, Schachgroßmeister, Freund und Trainingspartner seines ehemaligen Schachzöglings. Regisseur Zwick gelingt das vorzügliche Porträt eines Mannes den niemand wirklich verstand, der aber heute noch die Menschen fasziniert - ob sie nun Schachspieler sind oder nicht. geh.
Quelle: Blickpunkt:Film
